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SHZ-Artikel vom 09.08.2023

Wie Tina und Kay Andresen ein verwunschenes Gebäude zu neuem Leben erwecken

Wer Lust auf Ferien in einem Baudenkmal hat, findet in Wallsbüll ein wahres architektonisches Kleinod. Im alten Bahnhofsgebäude haben Tina und Kay Andresen ein Refugium für ihre Gäste geschaffen, das den Charme des Historischen mit moderner Ausstattung optimal verbindet.

Als sie 2020 das Anwesen kauften, befand sich der Bahnhof allerdings in einem desolaten Zustand, trotzdem sagt Tina Andresen heute: „Ich konnte mir gleich vorstellen, wie alles einmal aussehen würde.“ Schwer nachvollziehbar, schaut man auf die Fotos von damals. Ein Feuer hatte ein Jahr zuvor in der Wohnung des Stationsgebäudes gewütet und es völlig unbewohnbar gemacht. Daraufhin kaufte die Gemeinde die Brandruine, fand jedoch letztlich keine Lösung, das Gebäude für sich nutzbar zu machen. Also wurde es wieder veräußert, „und wir waren froh, dass sich Andresens dieser Aufgabe annahmen“, wie Bürgermeister Arno Asmus sagt. Und das geschah mit viel Energie, Liebe zum Detail und Sachverstand. Für die Bauherren stand von vornherein fest: „Wir wollen zwei Ferienwohnungen schaffen.“

Ein Blick zurück: 1889 wurde die Eisenbahnstrecke zwischen Flensburg und Niebüll von der Königlich-Preußischen Staatseisenbahn in Betrieb genommen, und wie überall an der Strecke wurden repräsentative Bahnhöfe gebaut. Im Wallsbüller Stationsgebäude gelangten die Reisenden unten zum Fahrkartenschalter und fanden einen großen beheizten Warteraum vor, die weiteren Bereiche waren als Betriebsräume ausgestattet, das Obergeschoss diente dem Stationsvorsteher und seiner Familie als Wohnung.

In einem getrennt davon errichteten Aborthäuschen befanden sich nicht nur die Toiletten für die Reisenden, nein, im vorderen Teil konnten in einem kleinen Stall Tiere gehalten werden für den Eigenbedarf, davon zeugt bis heute eine kleine Luke. „Das Aborthäuschen wird unser nächstes Projekt“, schaut Tina Andresen in die Zukunft. „Vielleicht machen wir daraus so etwas wie ein Tiny-Haus für Gäste.“ Doch auch hier gilt der Denkmalschutz, wie für den gesamten Bahnhof.

Davon war 1981 allerdings noch nicht die Rede, als die Bahnstrecke eingestellt wurde und somit das Bahnhofsgebäude in Privatbesitz überging und zu Wohnungen umgebaut wurde. Erst vor vier Jahren, nach dem verheerenden Brand, schaltete sich die Denkmalpflege ein. Für die Bauherren ergab sich daraus jedoch keine unüberwindliche Hürde, da sie ihr Konzept und die daraus resultierenden Maßnahmen immer mit der Behörde abstimmten. „Wir haben alle grünen Fenster und die Außentüren extra vom Tischler anfertigen lassen – und dazu sogar passende Griffe gefunden“, sagt Kay Andresen.

Für die Elektrik und die Heizungsanlage mussten ebenfalls Fachfirmen kommen, aber darüber hinaus haben sie ihr großes Vorhaben aus eigener Kraft gestemmt. Richtig beginnen konnten sie erst, als sie die verrußte Wohnung geleert hatten. Sie war seit einem Jahr nicht mehr betreten worden. Erst danach wurde vom Keller bis zum Dachboden alles herausgerissen, was über die Jahrzehnte an Dämmstoffen und Sondermüll verbaut worden war, das Gebäude wurde quasi entkernt inklusive des Abklopfens der Putzschicht an den Wänden – es waren etliche Container, die abgefahren wurden, eine Herkulesaufgabe.

Dann endlich begannen sie, ihre Vision eines ökologisch und nachhaltig sanierten Gebäudes zu verwirklichen. „Es war ein Abenteuer“, meint Tina Andresen rückblickend. „Wir haben uns für eine Wandheizung mit Lehmputz entschieden.“ Und ihr Mann ergänzt: „Die natürlichen Baustoffe und Farben und die Strahlungswärme dieser Heizmethode bieten auch Allergikern ein angenehmes Raumklima.“

Im ehemaligen Güterschuppen mit seinem hervorragend erhaltenen Fachwerk und der freigelegten Dachkonstruktion wird die 50 Quadratmeter große Ferienwohnung schon seit längerem gebucht. Ein Schmuckstück mit Küchenzeile, Bad, Schlaf- und hellem Wohnbereich in stilvollem, modernem Ambiente. „Wir wollten kein Museum schaffen“, waren sich die beiden einig, setzten stattdessen nur kleine Akzente wie gestapelte alte Koffer als Deko oder das große Original-Emailleschild „Wallsbüll“ als Reminiszenz an vergangene Zeiten – und die Gäste sind begeistert.

Wesentlich umfangreicher gestaltete sich dagegen die Sanierung des Stationsgebäudes, die 125 Quadratmeter große Ferienwohnung über zwei Etagen steht kurz vor der Fertigstellung.

Die Tapeten im Flur fallen sofort ins Auge – und sie sind noch nicht ganz trocken. Am Vormittag haben Tina und Kay Andresen die meterhohen Bahnen im oberen Stockwerk angebracht – ein Blickfang mit farbenfrohen Vogelmotiven. Ähnlich mutig ist die Tapetenauswahl im angrenzenden Schlafzimmer mit kräftigen floralen Mustern, im Bad dagegen korrespondieren Palmen in Grüntönen mit den farblich abgestimmten Fliesen.

„Hier kann sich Tina in der Gestaltung austoben“, freut sich ihr Mann. Er zeigt auf Details, die nicht sofort ins Auge fallen: Die Decken- und Dielenbretter wurden sorgfältig geschliffen und gestrichen, als Dämmung kann man auf dem Spitzboden das frisch eingefüllte Seegras entdecken, und ein Hingucker sind die alten Eichentüren mit Original-Beschlägen.

Im Erdgeschoss wurde Parkett mit Intarsienarbeiten verlegt, zufällig entdeckt, wie so vieles, was sie aus unterschiedlichen Quellen erstehen konnten, „weil wir uns Zeit gelassen haben beim Suchen.“ Diese Gelassenheit zeichnet die beiden 56-Jährigen aus, die sich mit viel Herzblut der Bewahrung dieses Baudenkmals verschrieben haben – und das ausschließlich in ihrer Freizeit.

Text und Fotos: Helga Böwadt

Ein Blick auf die Außenfassade des Stationsgebäudes
Alte Koffer erinnern die Feriengäste an die Zeit vor 130 Jahren
Frisch tapeziert
Tina und Kay Andresen haben den Alten Bahnhof in Wallsbüll mit viel Herzblut saniert und zwei Ferienwohnungen eingerichtet.
Eingang zum Stationshäuschen
Bis ins kleinste Detail ...
Tina Andresen
Altes mit Neuem kombinieren – nach dieser Devise wird die Gestaltung der Innenräume vorgenommen
Auf 50 Quadratmetern finden die Feriengäste ein modernes Interieur vor – inklusive Küchenzeile